Vom Vorteil des Verirrens


Vom Vorteil des Verirrens
25.04.2013
Design
Orientierung tut Not, und zu dieser soll ja auch Informationsgestaltung einen Beitrag leisten. Eine funktionierende Signaletik am Flughafen hat schon Machem ›Entlastung‹ gebracht, pünktlich zum gewünschten Ziel geleitet und im besten Fall den Weg durch komplexes Gehäuse angenehm begleitet.

Um in unserem Alltags-Dschungel gesichert zum Ziel zu gelangen, gibt es ja neben den hinreichend bekannten technischen Hilfsmitteln auch eine Fülle von gutgemeinter Literatur zur Lebenshilfe, die wiederum kaum überschaubar scheint. Kein Wunder, dass bei soviel geplanter Zielgerichtetheit die Frage auftaucht, ob ein GPS-geleiteter Odysseus überhaupt etwas zu erzählen gehabt hätte. Das Buch von Kathrin Passig und Aleks Scholz ›Verirren. Eine Anleitung für Anfänger und Fortgeschrittene‹ zeigt, warum Verirren klüger, reicher und zufriedener macht – und manchmal sogar schneller zum Ziel führt.

Auch die Netz-Algorithmen, die uns mit massgeschneiderten Angeboten umschmeicheln, sollen ja Orientierung verschaffen und uns eine ganz persönliche Vorauswahl liefern. Jedoch: ›Wir bekommen nur das angeboten, was wir sowieso mögen und nicht das, wovon wir noch nichts wissen‹ sagt Miriam Meckel, Kommunikationswissenschaftlerin, Universität St. Gallen ›Wenn ich eine Zeitung aufschlage und scanne mit den Augen die Seiten ab, dann stolpere ich manchmal über einen Artikel, von dem ich gar nicht wusste, dass er mich interessieren könnte. Ich lese ihn an, finde es spannend und lese ihn zu Ende. Damit eröffne ich mir ein Thema, das ich nicht aktiv gesucht hätte. Im Internet ist das etwas schwieriger, weil wir da aktiv suchen müssen, um etwas zu finden. Oder wir werden auf die personalisierten Suche zurück geworfen, also auf die Algorithmen, die uns einrechnen‹.

Das Navigieren im Netz gleicht daher immer weniger einem freien Surfen auf den unendlichen Weiten des Meeres denn einer geführten Kanalrundfahrt. Fragt sich, wer da am Steuerrad sitzt …

>>> alle Artikel anzeigen